Insektensterben stoppen – Vielfalt bewahren

Sie machen den größten Teil der Tierwelt aus, etwa 60% aller bekannten Tierarten sind Insekten. Allein unter den Bienen gibt es weltweit ca. 20’000 Arten. Die in Beständen gehaltenen Honigbienen leisten etwa 30% der Bestäubung, den „Rest“ erledigen Wildbienen und andere Insekten.  Doch die Vielfalt der Insekten ist bedroht. Im Februar 2019 erreichte das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ in Bayern die Zustimmung von fast einem Fünftel der Bevölkerung. 

Lesen Sie hier über die Bedeutung von Insekten, deren Bedrohung und wie jeder von uns seine Umwelt insektenfreundlicher gestalten kann.

Feldrand mit Wildblumen – Foto: Greg Larcombe auf Pixabay

Inhalt:

  1. Nutzen von Insekten
  2. Ursachen des Insektensterbens
  3. Bio-Landwirtschaft als Maßnahme
  4. Vielfalt bewahren

Vom 31. Januar bis zum 13. Februar 2019 sammelte die Initiative Volksbegehren Artenvielfalt mit dem Slogan „Rettet die Bienen“ fast 1,8 Millionen Unterschriften in Bayern und schaffte damit eine kleine Sensation: 18,7 Prozent der bayerischen Wahlberechtigten sprachen sich für den Erhalt und Förderung der Artenvielfalt aus. Kein Volksbegehren zuvor war so erfolgreich und im April des Jahres erklärten die Regierungsparteien seinen Text unverändert als Gesetz beschließen zu wollen.

Im Fokus des Volksbegehrens stand dabei eine auf den ersten Blick unscheinbare aber umso größere Spezies: Insekten. Etwa 60 Prozent aller heute bekannten Tierarten sind Insekten. Ein zweiter Blick offenbart eine faszinierende Vielzahl von Bienen, Schmetterlingen, Käfern und Kriechtieren – überall summt, schwirrt und krabbelt es. Nur: Es schwirrt, summt und krabbelt eben immer weniger. In den letzten Jahren werden immer wieder alarmierende Zahlen bekannt.

Aufsehen erregte beispielsweise die Krefelder Studie, die über einen Zeitraum von 27 Jahren einen Rückgang der Fluginsekten um 75 Prozent dokumentieren konnte. Weitere Studien zeigten, dass das Sterben der Insekten ein globales Problem ist: Weltweit nimmt die Biomasse an Insekten jährlich um 2,5 Prozent ab – das ist 8 mal so schnell wie der Schwund an Säugetieren, Vögeln und Reptilien. Schreitet das Insektensterben weiter in diesem Tempo voran, könnten Insekten in 100 Jahren tatsächlich ausgestorben sein.

Nutzen von Insekten für Mensch und Ökosystem

Der Artenrückgang betrifft nicht nur Insekten: Für Feldvögel beispielsweise ist ein Rückgang um über 50 Prozent zwischen 1980 und 2000 dokumentiert. Und auch die Häufigkeit von für Deutschland typischer Grünpflanzen hat in den letzten 70 Jahren um bis zu 90 Prozent abgenommen. Etwa ein Drittel der auf Ackerflächen wachsenden Wildpflanzen gilt inzwischen als gefährdet. Die Zahlen machen deutlich, wie eng verzahnt, die verschieden Bestandteile von Ökosystemen sind: geht die Vielfalt in einem der Bereiche zurück, hat das unmittelbare Folgen für die anderen. Trotzdem ist es das Insektensterben, das als besonders dramatisch und potentiell bedrohlich wahrgenommen wird, wie kommt es dazu?

Bienen im Einsatz – Bild von su mx auf Pixabay

Die Aufgaben, die Insekten in ihren jeweiligen Ökosystemen erfüllen, sind zentral und unverzichtbar: Sie bestäuben den Großteil der heimischen Wildpflanzen und bilden die Nahrungsgrundlage von Vögeln, Reptilien und Säugetieren. Und nicht zuletzt sind Insekten auch für die Nahrungsmittelerzeugung und damit für uns Menschen unersetzlich, denn ein Großteil der in der Landwirtschaft angebauten Nutzpflanzen wird von Insekten bestäubt, durch den Abbau von Biomasse tragen sie wesentlich zur Bodenfruchtbarkeit bei und verhindern durch gegenseitige Regulation Schädlingsplagen. Die New York Times beziffert den Wert der für Menschen durch Insekten so erbrachten Dienstleistungen auf 400 Milliarden Euro.

Ursachen des Insektensterbens

Der Begriff Insektensterben ist eigentlich irreführend, denn es geht nicht darum, dass einzelne Tiere sterben, sondern vielmehr darum, dass die Lebensbedingungen – geeignete Futterpflanzen, Nist- und Rückzugsmöglichkeiten – nicht mehr gegeben sind, die sie brauchen, um sich zu vermehren. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Neben dem voranschreitenden Klimawandel, zunehmender Lichtverschmutzung in den Städten und der Zerstückelung der Landschaft durch Infrastruktur, ist es unbestreitbar vor allem die Intensivierung der Landwirtschaft, die für den Verlust an Lebensräumen verantwortlich ist.

Industrielle Landwirtschaft hat Folgen für Insekten – Bild: Erich Westendarp / Pixabay

Mehr als die Hälfte der deutschen Flächen wird landwirtschaftlich genutzt und der allergrößte Teil davon wird konventionell und intensiv bewirtschaftet. Durch den massiven Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln, die Konzentration auf immer weniger Kulturpflanzen und großräumige ackerbauliche Strukturen, kommt es zu einer großflächigen Verarmung der Vegetation. Weil EU-Subventionen als Direktzahlungen für bewirtschaftete Fläche vergeben werden, werden Felder bis an die äußersten Ränder bestellt und zugunsten effektiver Bearbeitung werden störende Gehölze entfernt – es fehlen die artenreichen, blühenden Ackersäumen und Hecken, die nicht nur als wichtiges Futterangebot und als Rückzugs- und Überwinterungsmöglichkeiten gebraucht werden, sondern auch als Korridore, die Insekten ein Ausweichen an andere Ort ermöglichen könnten. Der ökonomische Druck, der Landwirt*innen zu einer auf Effektivität und Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Form der Landwirtschaft zwingt, zeigt sich auf der Fläche als gravierender Mangel an Offenlandbiotopen, der das Sterben auch an die Agrarlandschaft angepasster unmittelbar Tierarten zufolge hat.

Bio Landwirtschaft

Wenn die Befürworter des Volksbegehren Artenvielfalt eine Ausweitung der Bio-Landwirtschaft fordern, um so den Schutz von Insekten und anderen Tieren und Pflanzen zu erreichen, dann haben sie recht. Denn für Bio-Landwirte ist eine weniger intensive Landnutzung ohne Einsatz von chemisch-synthetischen Spritzmitteln selbstverständlich. Stattdessen setzen sie auf mechanische und thermische Verfahren, um Beikräuter zu regulieren und den Anbau robusterer, den jeweiligen Standorten angepasster Sorten. Die genutzten Böden sind wegen des Verzichts auf mineralische Stickstoffdünger nährstoffärmer, sodass die Dichte der Kulturpflanzen geringer ist – Wildpflanzen haben eine Chance neben ihnen zu wachsen. Durch mehrjährige Fruchtfolgen entstehen vielfältigere Lebensräume und Lebensbedingungen für Pflanzen und Tiere und durch kleinteiligere ackerbauliche Strukturen besteht ein Nebeneinander unterschiedlicher Lebensräume und dadurch auch Ausweichmöglichkeiten zum Beispiel während der Ernte oder der Bodenbearbeitung.

Pflanzenvielfalt hilft Artenvielfalt – Bild: Hikaru auf Pixabay

Die Bio-Anbauverbände geben darüber hinaus konkrete Empfehlungen zur Grünlandnutzung und fordern von ihren Mitgliedern auch Maßnahmen abseits des Feldes. Ein Beispiel dafür sind die 10 Prozent Biodiversitätsflächen, die jeder demeter-Betrieb seit 2013 einrichten muss: extensiv genutzte Grünlandflächen, Streuobstwiesen, Wasserflächen oder blühende Wiesen…

Es erstaunt deshalb nicht, dass die biologische Landwirtschaft nachweislich positive Effekte auf die Artenvielfalt hat: Die Artenzahl der auf den Äckern wachsenden Wildpflanzen liegt um 95 Prozent, die der Feldvögel um 35 Prozent und der blütenbesuchenden Insekten um 23 Prozent höher als auf konventionell bewirtschaften Flächen.

Trotzdem sind natürlich auch Biobauern dem ökonomischen Druck in der Lebensmittelerzeugung ausgesetzt und bekommen die hohen Boden- und Pachtpreise zu spüren. Auch wenn Bio inzwischen in den Discountern angekommen ist, müssen Verbrauche*innen bereit sein, höhere Preise in Kauf zu nehmen, wenn ihre Lebensmittel ohne Chemieeinsatz und unter Schonung der Biodiversität erzeugt werden sollen. Wie auch in anderen Bereichen bietet Bio-Verbandsware hier den höchsten Standard.

Insektensterben stoppen – Vielfalt bewahren

Das Volksbegehren Artenvielfalt zeigt, dass es auch auf Ebene der Bürger*innen möglich ist, erfolgreich Forderungen zum Schutz der Umwelt zu platzieren. Nicht nur gegenüber einer scheinbar übermächtigen Bauernlobby, sondern vor allem gegenüber der Politik, die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schafft. In Punkto Insektensterben ist die Datengrundlage klar und schnelles Handeln gerechtfertigt und notwendig: eine Kopplung der EU-Agrarsubventionen an Umweltschutzauflagen, Ausgleichszahlungen für das Brachliegenlassen von Flächen sowie eine strengere Überprüfung und gegebenenfalls das Verbot von Pestiziden. Auf nationaler und Länderebene die Förderung und Finanzierung von Projekten zum Schutz der Artenvielfalt und die Ausrufung und bessere Vernetzung von Schutzgebieten. Nur so wird es auf unsern Äckern auch weiter summen, schwirren und krabbeln.